Trauer, Mensch und Menschlichkeit in wechselnden Blickwinkeln zu dem Mordfall Yangjie Li

Im Mai 2016 wurde die Chinesin Li Yangjie, die in Dessau studierte, beim Joggen vermisst. Einige Tage später wurde die grausame entstellte Leiche gefunden. Das Vorgehen der Behörden war in der nachfolgenden Zeiten mehr als fraglich.


https://de.wikipedia.org/wiki/Mordfall_Li_Yangjie


Anfang Juni 2016 hielten Chinesen in 13 Städten in ganz Deutschland spontan gleichzeitige Solidaritätsveranstaltungen ab (ein ausführlicher Bericht über die Solidaritätsveranstaltungen wurde in der Zeitschrift „The Paper” veröffentlicht, siehe:)


Im August 2017 verurteilte das Gericht den Haupttäter zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung und die Mittäterin zu fünfeinhalb Jahren Haft.


Sieben Jahre sind schnell vergangen. Das Mädchen aus Henan, das Architektin werden wollte, aber unter Ausnutzung ihrer Gutmütigkeit brutal ermordet wurde, ist zu einer Symbolfigur für die chinesische und sogar asiatische Gemeinschaft in Deutschland geworden. 2016 hatten wir bei den gleichzeitig stattfindenden Solidaritätsaktionen in 13 Städten deutschlandweit ein Foto ausgewählt, auf dem sie ein Architektenwerkzeug zum Zeichnen in den Händen hält, freundlich in die Kamera schaut und lächelt . Viele Menschen haben sie leider auf diese Weise kennengelernt. Wir wollen aber, dass man sich an sie erinnert, wie sie war und wie sie sein wollte. Wird sich jemand an sie erinnern, wenn sich der ganze Trubel gelegt hat?


Der Rückblick nach der Tat ist nicht nur ein Erinnern um des Vergessens willen. Sondern das, was der Ermittler beim Zuschauen des Überwachungsvideos, das Li Yangjie beim Betreten des Wohnhauses, nachdem sie angesprochen wurde, sagte: „Mein Herz schrie: ‚Nicht stehen bleiben, nicht reingehen, weiterlaufen'“


Als der Vater von Li Yangjie in Deutschland ankam, war der Fall noch nicht gelöst. Das erste, was dieser Vater, ein alter chinesischer Polizist, nach einer Reise von Tausenden von Kilometern tat, war, den Tatort zu erkunden. Er fand den richtigen Bereich für die Suche. Keiner weiß, ob es Erfahrung oder ein herzzerreißender Instinkt war.


Li Yangjies Mentor, Professor Lückmann, bringt noch heute jedes Jahr seine Studenten dazu, Blumen für Li Yangjie niederzulegen. Es ist kein Denkmal aus kaltem Stein, sondern ein Blumenstrauß. Denn sie war nicht nur ein Opfer, sondern einst ein Mädchen, das Träume hatte und das Leben liebte. 


Mitglieder der CGiD,  die  Mitinitiatoren und Mitorganisatoren der Solidaritätsveranstaltungen in 13 Städten deutschlandweit zum Fall Li Yangjie im Jahr 2016 waren, laden die Journalisten ein, die damals erstmals in den deutschen Medien über den Fall Li Yangjie berichteten und den Prozess verfolgten, sowie den Regisseur der kommenden Dokumentation, die im Frühjahr 2024 auf RTL2 zu sehen sein wird. 


Wir wollen zusammen darüber sprechen. 


Wir wollen diesen Moment der Trauer, der Empörung, des Eifers und der Sorge nachempfinden. Wir wollen wissen, was 2016 oder heute innerhalb und außerhalb der chinesischen Gemeinschaft geschah, das den Fall Li Yangjie von einer persönlichen Tragödie zu einem öffentlichen Ereignis machte. Wir wollen herausfinden, welche Erinnerungen die Menschen an das Mädchen und welche Vorstellungen sie von diesem Fall haben. Wir wollen auch, dass die Stimmen der chinesischen Gemeinschaft und darüber hinaus, die nach Gerechtigkeit streben, aufeinander treffen, sich miteinander vermischen und nach Gemeinwesen fragen.


Es geht um unser eigenes kollektives Gedächtnis und unsere Verantwortung als chinesische Gemeinschaft.


12. Dezember 2023, 19:30 Uhr Berlin.