Offener Brief an das Bundesministerium für Bildung und Forschung

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sind fast alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland stark betroffen. Dabei lässt der sozialen Extremismus sich immer wieder mit starker Präsenz auftauchen, was uns große Sorgen bereitet.

Kinder und Jugendliche mit asiatischer Herkunft, vor allem die nicht nur wesentlich mehr Energie aufwenden müssen, um sich in deutschen Schulen zurechtzufinden und ihren Platz zwischen ihrer asiatischen Herkunftskultur und der deutschen Kultur zu finden, müssen nun auch noch dem Einfluss extremer Emotionen leider stark ausgesetzt sein. Dadurch wurden viele von ihnen unerwartet zu Opfern von Hass und Diskriminierung worden.

Um auf dieses Phänomen rational zu reagieren, schrieben wir im März 2021 einen offenen Brief an das Bundesbildungsministerium, in dem wir hofften, die Kommunikation mit der deutschen Gesellschaft in dieser Form aufrechtzuerhalten und in einer demokratischen Atmosphäre nach vernünftigen und konstruktiven Lösungsideen zu suchen.

Innerhalb von zwei Tagen ist dieser Offene Brief von c.a. 20 deutschen und chinesischen Vereinen und Verbänden sowie von anderen Teilnehmern unterschrieben worden.

Sehr geehrte Frau Ministerin Karliczek,

seit dem Ausbruch der COVID-19 Pandemie ist es uns aufgefallen, dass sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern die Anfeindungen und das Mobbing gegenüber Kindern und Jugendlichen mit asiatischer Abstammung deutlich zugenommen haben. Die rasant zunehmende Anzahl der Beschwerden wegen erlebter Diskriminierung, Benachteiligung und rassistischen Angriffen, die ratsuchende Bitte von Eltern an uns sowie diverse Medienberichte haben unsere Sorge bestätigt.

Viele Vorfälle, die wir protokolliert haben, machen deutlich, dass insbesondere die Kinder, die asiatisch aussehen, Diskriminierung im Zusammenhang mit der Corona-Krise in diversen Lebensbereichen erleben. Die Eltern berichten vielfach davon, dass sie und ihre Kinder in der Öffentlichkeit rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sind und sogar für die Pandemie verantwortlich gemacht worden seien. Betro,ene berichten beispielsweise von Hass erfüllten Ausrufen wie „Corona“ auf den Spielplätzen, ablehnendem Verhalten oder Mobbing in der Schule, weil sie (vermeintlich) asienstammige Kinder sind.

Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass im schulischen sowie im gesellschaftlichen Zusammenhang die asiatische Herkunft und Kultur mit dem Virus in Verbindung gesetzt wird. Dabei haben unbedachte, unsensible und verantwortungslose Formulierungen wie „das Virus kommt aus China“ oder „weil die Asiaten gern Fledermaussuppen essen“ sowie diskriminierende Witze und Spiele in Bildungseinrichtungen wie Kitas und Schulen sowie in Nachbarschaften wesentlich dazu beigetragen. Dass sich Kinder und Jugendliche an den Rand gedrängt und beängstigt fühlen, ist seit langem kein Einzelfall mehr. Neben dem Kampf gegen Angst wegen Corona und der Isolierung oder sogar Depression wegen Schulschließung müssen sich die Kinder mit asiatischer Abstammung zusätzlich erbittert gegen solche Anfeindungen wehren, die als seelische Belastung schädlich für ihre Entwicklung sind.

Das führt zur Spaltung des solzialen Zusammenhalts und schadet somit den Grundlagen eines solidarischen und gerechten Gesellschaftslebens. Insbesondere sind die negativen Konsequenzen der in Bildungseinrichtungen stattfindenden Diskriminierung nicht zu unterschätzen, weil Kinder und Jugendliche für Beeinflussungen sehr anfällig sind und weil Bildung die Zukunft bestimmt. Uns liegt es am Herzen, den sozialen Zusammenhalt der deutschen sowie der europäischen Gesellschaft aufrechtzuerhalten, was gerade in der Zeit der Krise umso wichtiger ist. Uns liegt es zudem am Herzen, dass unsere zukünftige Generation in einer rationalen statt verhetzenden, unterstützenden statt rassistischen Gesellschaftsumgebung aufwächst.

Aus den oben genannten Gründen appellieren wir an Ihre Aufmerksamkeit und Sensibilität für die Gegenwärtigkeit der Diskriminierung und Anfeindungen gegenüber den Kindern und Jugendlichen mit asiatischen Wurzeln. Sie sind nicht zu ignorieren, sondern müssen ernst genommen werden. Dabei könnten die eindeutigen Signale und Maßnahmen von Schulbehörden oder zuständigen Ämter wesentlich dazu beitragen, dass die Kinder, Eltern und Lehrkräften sensibilisiert sind, wie man mit solchen Problemen umgehen kann.

Wir möchten Sie ausdrücklich darum bitten, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um die öffentliche Diskussion anzuregen. Es liegt in unseren allseitigen Interessen, dass der Nachwuchs der Gesellschaft das Gedankengut der aufklärerischen Bildung zu Teil wird und eine offene, konstruktive und verbundene Gesellschaftsordnung in der Nach – Pandemie – Zeit auf uns alle zukommt.

Mit freundlichen Grüßen

Darauf haben wir die folgende Antwort 2-3 Wochen nach dem Abschicken des offenen Briefes bekommen.

Sehr geehrte Frau Ruirui Zhou, 
sehr geehrter Herr Sen Gao.

vielen Dank für lhr Schreiben an die Bundesministerin für Bildung und Forschung. Anja Karliczek MdB, in dem Sie über Diskriminierungen berichten.

Das Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist aufgrund seines Aufgabenbereiches nicht der richtige Ansprechpartner, der sich Ihrem Anliegen in angemessener Form widmen konnte. Ich möchte Sie deshalb bitten, Ihr Schreiben an das Auswärtige Amt zu richten sowie an die Diskriminierungsstelle des Bundes. Gerne füge ich die Links bei:

Antidiskriminierungsstelle – Nehmen Sie Kontakt mit uns auf Bürgerservice – Auswärtiges Amt (auswartiges-amt.de)

lch wünsche Ihnen viel Kraft bei der Bewältigung der großen Herausforderungen, vor denen Sie und Ihre gesamte Gemeinde durch diese Ausnahmesituation stehen.

Bleiben Sie gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Referat Öffentlichkeitsarbeit

Nach dem Antwortschreiben des Bildungsministeriums haben wir ein weiteres Antwortschreiben verfasst.

Sehr geehrte Frau Ministerin,

haben Sie zuerst vielen Dank für Ihre Rückmeldung!

Zudem wollen wir uns auch für Ihren Hinweis auf die Antidiskriminierungsstelle bedanken. Selbstverständlich ist die Antidiskriminierungsstelle uns bekannt, und wir hatten uns bereits schon in der Vergangenheit in anderen Angelegenheiten an sie gewendet.

Allerdings machen wir uns Sorgen über die Konnotationen, die aus Ihrer Antwort entstehen. Offensichtlich handelt es sich hier um ein Missverständnis, das wir zu beseitigen haben.

Die chinesische Gemeinde in Deutschland e.V. setzt sich für Menschen in Deutschland, unabhängig von ihrer Nationalität, die durch chinesische Abstammung oder Kultur verbunden sind, ein. Dabei sehen wir unsere Aufgabe darin, die Völkerverständigung zu erweitern und zu vertiefen sowie die Integration durch zivilgesellschaftliche Engagements zu fördern. In diesem Zusammenhang positionieren wir uns vor allem als Mitglieder der sozialen Gemeinschaft in Deutschland, die Beiträge im Einklang mit den demokratischen, kommunikativen Grundwerten der deutschen Gesellschaft geleistet haben und leisten wollen. Wir sind davon ausgegangen, dass dieses Anliegen aus unserem Offenen Brief deutlich erkennbar ist.

Zu unserer völligen Überraschung haben Sie uns auf das Auswärtige Amt verwiesen. Inwiefern das Anliegen von Kindern und Jugendlichen in deutschen Schulen und Bildungseinrichtungen, darunter auch deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, eine auswärtige Angelegenheit ist, entzieht sich unserem Verständnis.  

Uns erinnert das an eine Reihe kürzlich veröffentlichten, teilweise böswilligen, Artikeln in den deutschsprachigen Medien, in denen alle zivilgesellschaftliche und spontane Engagements von Menschen mit chinesischer Abstammung generell und ohne Nachweis als die von der chinesischen Regierung organisierte Propaganda zur Intervention in die Gesellschaftsordnung Deutschlands beschrieben wurden. Mit dieser allgemeinen Stigmatisierung werden Menschen ihrer Stimmen beraubt, weil ihre Grundrechte und menschliche Bedürfnisse zur Meinungsbildung und -äußerung im Grunde nicht als legitim anerkannt und wahrgenommen werden. Die Menschen sind dadurch in einem Dilemma gefangen, wo sie zwischen Stummhaltung und Diffamierung zu entscheiden haben, wenn sie mit Anfeindungen und Diskriminierung konfrontiert sind. Jede Geste, insbesondere die von den öffentlichen Stellen oder Behörden, die diese Kampagnen gegenüber den Menschen mit chinesischer Abstammung untermauert, ist daher ein Beitrag dazu und kann sogar als eine offizielle Aufmunterung zu dem bereits gegenwärtigen Asian-Hate und zur weiteren gesellschaftlichen Ausschließung der Menschen mit bestimmtem kulturellen Hintergrund, die bereits sozial unterprivilegiert sind, gesellschaftlich interpretiert werden.

Des Weiteren wundern wir uns über Ihre Aussage, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung aufgrund seines Aufgabenbereiches nicht der richtige Ansprechpartner unseres Anliegens sei. Wir berichten von Diskriminierungen gegenüber Kindern und Jugendlichen in den Schulen in Deutschland und bitten um Ihre Stellungnahme dazu. Nach unserem Verständnis tragen Sie als oberste Instanz für Bildung in der Bundesrepublik Deutschland Verantwortung für Maßnahmen gegen Diskriminierung in Bildungseinrichtungen und für weitere Einbettung der Bildung zur Antidiskriminierung im Curriculum. Wir verstehen, dass jedes Ministerium unterschiedliche Aufgabenbereichen wahrnimmt und konkrete Maßnahmen auch nur von den zuständigen Behörden durchgeführt werden können. Muss aber Ihr Ministerium bei solchen hohen Schutzgütern wie psychisches Wohlempfinden und körperliche Unversehrtheit der Kinder und Jugendlichen in den Bildungseinrichtungen nicht von Amtswegen die Sache an die zuständigen Behörden weiterleiten, wenn Ihr Ministerium sich schon, was uns lebensfremd erscheint, nicht dafür verantwortlich fühlt?

Wir bedanken uns für Ihre Zeit und Engagement, und stehen gern für ein Gespräch bzw. Ihre Fragen zur Verfügung und freuen uns auf Ihre Rückmeldung!

Nur um Missverständnis vom vornherein zu vermeiden, möchten wir betonen, dass wir uns vorbehalten, alle Korrespondenz zwischen Ihnen und uns im Zusammenhang mit dem Offenen Brief zu veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Darauf haben wir keine Antwort bekommen.